Da ich in letzter Zeit etwas kochfaul bin, hab‘ ich mir wieder mal ein Paket mit allerlei veganen Produkten schicken lassen. Würstchen waren auch dabei, wie fast jedes Mal.
Es gibt ja mittlerweile viele vegane Brat- und Koch-Würstchen auf dem Markt. Manche sind eine glatte Enttäuschung, manche „so la la“ bis „ganz ok“. Was kalt nicht mundet, kann immerhin noch einen Linseneintopf aufwerten, meistens jedenfalls. Oft sind die Würstchen zu trocken, zu „brotig“ oder – wenn auf Tofu-Basis – recht weit vom Original entfernt.
Ich erwartete also nichts Besonderes, als ich die Veggie-Bockwürstchen von Vantastic Foods probierte. Aber hallo – was ist denn das? Zu meiner Freude und Verwunderung schmecken diese Bockwürstchen kalt und warm genau wie Bockwürste schmecken sollen. Und sie sind dabei weder trocken noch bröckelig, sondern genau richtig! Das einzige, was sie noch von Bockwürsten aus Fleisch unterscheidet ist die fehlende Knackigkeit beim reinbeissen – na klar, das geht nicht, denn da ist ja keine Haut! Aber was soll’s: angesichts der sonstigen Stimmigkeit dieser Bockwürstchen kann ich darauf locker verzichten.
Die Zutaten – und warum mich vegane Würstchen doch „glücklich machen“
In der ZEIT ONLINE ist gerade wieder ein Artikel mit dem Titel „Kein Fleisch macht auch nicht glücklich“ erschienen. Darin werden vegane Produkte wegen ihrer „Künstlichkeit“ als „Fälschungen“ kritisiert. Gesund sei das alles nicht, natürlich schon gar nicht – und dann geht man in die Details: Verdickungsmittel, Aromen, gar Hefeextrakt, dieses böse böse „versteckte Glutamat“! Wie kann man nur sowas essen?
Dass die Normalkost der Bundesbürger von alledem ebenfalls jede Menge enthält und die Entscheidung für pflanzlichen Ernährung oft aus ethischen, nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, hat die Autorin Kathrin Zinkant nicht auf dem Schirm. Ein Kommentator schreibt dazu kurz und lakonisch:
„SUV fahren ist okay. Begründung: In Fahrradsätteln wurden schädliche Chemikalien gefunden.“
Damit ist eigentlich alles gesagt. Dennoch mache ich hier mal einen Vergleich. Zunächst die Veggie-Bockwürstchen von Vantastic Foods. Sie enthalten
Wasser, Weizeneiweiß (25%), Kokosfett, Hefeextrakt, Aromen, Zwiebeln, Verdickungsmittel Johannisbrotkernmehl und Xanthan, Gewürze, Steinsalz, Weizenstärke, Farbstoff: Eisenoxid, natürlicher Buchenholzrauch. (Herstellerangabe)
Ist das nun besonders abschreckend? Bezüglich Hefeextrakt ist zu sagen, dass dieses geschmacksverstärkende Produkt aus Hefepilzen nicht dasselbe ist wie Glutamat, sondern nur 11% der Glutaminsäure enthält, die allgemein Glutamat genannt wird. Wikipedia: „Wie auch Hefe ist Hefeextrakt reich an den Vitaminen B1, B2, B3, Niacin, Biotin, Folsäure und Pantothensäure; aus diesem Grund wird er auch in der Krankenernährung eingesetzt“. Aber selbst Glutamat ist „an sich“ nicht schädlich, sondern allenfalls, wenn man es massenweise zu sich nimmt. Und auch das ist bisher nur eine „Vermutung“ (Gesundheitliche Bewertung, Wikipedia, DGE-Info).
Xanthan ist ein mit Hilfe von Bakterien aus Kohlehydraten hergestelltes Verdickungsmittel. Da es vom Menschen nicht verwertet wird, zählt es zu den Ballaststoffen. Es ist für Bio-Lebensmittel zugelassen und wird auch in Milchprodukten, Saucen, Tomatenketchup, Mayonnaise, Senf und Dressings, sowie in der Molekularküche verwendet. Lässt mich das gruseln? Nein!
Aromen: Ja, das ist ein schwarzes Kennzeichnungsloch! Immerhin kann ich bei Vantastic Foods sicher sein, dass diese geschmacksgebenden Substanzen nicht aus tierischen Produkten stammen. Und weil ich eine Bockwurst will, die auch nach Bockwurst schmeckt, hab‘ ich nichts dagegen, wenn diesem Geschmack künstlich auf die Sprünge geholfen wird. Trotzdem: Wenn ich Zeit finde, frag ich da mal an!
Farbstoff Eisenoxid – dazu schreibt Das ist drin: „Eisenoxide gelten als unbedenklich. Sie werden vom Körper unverdaut wieder ausgeschieden und tragen aus diesem Grund nicht zur Eisenversorgung bei. Diesen Zusatzstoff können Sie ohne Einschränkung verzehren.“
Zum Vergleich: Zutatenliste einer konventionellen Bockwurst
Fairerweise nehme ich zum Vergleich keine Bockwurst aus der Dose, sondern die „Oppelner Bockwurst – 0,8 Kg von Waldfurter“, die eine Metzgerei auf Ebay anbietet. Die Zutaten:
Schweinefleisch 23% Rindfleisch 11%, Schweinebacken 13%, Schweinefett 13% Schweineschwarte 12%, Sojaeiweiß, Trinkwasser 18%, Kartoffelstärke , Kochsalz, Weizencellulose, Dextrose, Gewürze, Antioxidationsmittel: Isoascorbinsäure, Natriumcitrat, Geschmacksverstärker: Natriumglutamat, Konservierungsmittel: Natriumnitrit (Pökelsalz), Rauch aus der traditionellen Holzräucherkammer (Herstellerangabe)
Zuerst fällt auf, dass es sich zumindest bezüglich der Kennzeichnung um ein metzgerliches Qualitätsprodukt handelt. Der Hersteller gibt detailliert an, wieviele und welche Fleischbestandteile enthalten sind. Auf gängiger Supermarktware findet man diese Unterschiede nicht, da heißt es nur lapidar: 75% Schweinefleisch. Des weiteren ist zu loben, dass „Rauch aus traditioneller Holzräucherkammer“ verwendet wird, genau wie bei der Veggie-Wurst. Die meisten Würste werden heute nämlich nurmehr mit Flüssigrauch gespritzt – das geht schneller, erspart also Aufwand und Kosten. (Siehe dazu: Räuchern ohne Holz täuscht die Verbraucher)
Dextrose ist Traubenzucker – harmlos, aber man fragt sich, wozu der in der Wurst gebraucht wird.
Sojaeiweiß – Fleischesser könnten diesen Zusatz mit Recht als „Billigmacher“ kritisieren. Ich finde es lobenswert, denn je mehr Soja Fleisch ersetzt, umso weniger Fleisch wird gebraucht.
Isoascorbinsäure – „eine chemisch synthetisierte Form der Ascorbinsäure, die nahezu keine Vitaminwirkung mehr aufweist, aber antioxidative Eigenschaften hat….Isoascorbinsäure gilt als unbedenklich Es sind allerdings wenige Untersuchungen veröffentlicht. Sie ist möglicherweise dazu in der Lage, die Aufnahme von (vitaminwirksamer) Ascorbinsäure zu hemmen.“ (Das ist drin)
Natriumcitrat: Ein Natriumsalz, das biotechnologisch aus Zitronensäure hergestellt wird. „Citrate gelten generell als unbedenklich. Bei Schimmelpilzallergikern besteht jedoch das Risiko, dass allergische Symptome auftreten“ (das ist drin).
Natriumglutamat: dazu siehe oben, hier das Statement von „das ist drin“: „Mononatriumglutamat gilt als unbedenklich. Verbraucherschützer raten jedoch von häufigem Verzehr ab, da Mononatriumglutamat mit der Entstehung des China-Restaurant-Syndroms in Verbindung gebracht wird. Betroffene klagten nach dem Verzehr dieses Zusatzstoffes über Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit sowie Taubheit im Nacken.“
Natriumnitrit – der Pferdefuß vieler Fleisch- und Wurstwaren. Hier sind die Warnungen deutlich:
„Nitrite haben eine gefäßerweiternde und dadurch blutdrucksenkende Wirkung. Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin wird durch Nitrite so verändert, dass er keinen Sauerstoff mehr binden und transportieren kann. Besonders Säuglinge und Kleinkinder sind bei zu hohen Nitritzufuhren gefährdet, innerlich zu ersticken, da ihr Hämoglobin verhältnismäßig leicht verändert werden kann und auch das Enzym, das diese Veränderung umkehrt, noch unzureichend vorhanden ist. Für Erwachsene gilt Nitrit ab einer Menge von 0,5 g als akut giftig. Außerdem kann aus Nitrit im Zusammenspiel mit bestimmten Eiweißen bei Temperaturen über 130 °C krebserregende Nitrosamine entstehen. Vom häufigen Verzehr wird abgeraten.“
– Das ist Drin –
Soweit der Vergleich der Zusatzstoffe. Mit Fug und Recht könnte man allerdings auch das in der konventionellen Wurst enhaltene Schweinefleisch als gesundheitsschädlichen Schadstoff ansehen. Siehe dazu die folgenden Beiträge:
- Für Rheumatiker ist Schweinefleisch tabu – DIE WELT
- Schweinefleisch massenhaft mit Darmbakterien belastet – Keime in jeder vierten Portion – FOCUS
- Die rote Gefahr – Wer viel Rind- und Schweinefleisch isst, verkürzt sein Leben – Süddeutsche
- Fleisch in der Ernährung: Der Tod mag Wurst. – „Wer viel Wurst isst, stirbt in der Regel früher. Das hat eine Untersuchung mit knapp einer halben Million Menschen jetzt nachgewiesen.“ – SPIEGEL ONLINE.
Und das sind nur „seriöse“ Großmedien. All die Alternativen, die zum Schweinefleisch wirklich erschreckende Geschichten erzählen, hab‘ ich weggelassen!
Und was ist nun mit „natürlich“? Wer sich mal genauer informieren möchte, wie „natürlich“ heute Wurstwaren hergestellt werden, schaue mal bei „TasteMakers – Geschmack für Lebensmittel“ rein. Guten Appetit!
Mit der Veggie-Wurst bin ich eindeutig glücklicher, denn für sie müssen keine Tiere sterben. Dass ich auch noch gesünder lebe, ist ein schöner Nebeneffekt.
25. Mai 2014 um 15:10
Ich werde diese Wurst sicher auch ausprobieren, obwohl ich feststelle, dass ich, je länger ich vegan leben, immer weniger Appetit auf Ersatz habe. Wobei ich Fleisch früher gerne gegessen habe und Käse liebte. Das mit den Zutaten ist wirklich so eine Sache, ganz besonders fällt mir das bei veganer (Schlag-)Sahne auf. Da ich sie aber nicht sehr oft verwende, mache ich mir nicht allzu viele Gedanken. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass durch die kritischen Nachfragen sich vegan ernährender Menschen immer mehr Produzenten auf unbedenkliche Zutaten achten werden.
Sicherlich wird es auch eine wachsende Produktpalette geben, was durch die Forschung der Fraunhofer Gesellschaft ja schon geschieht (ich sage da nur: lecker, lecker Lupineneis!).
25. Mai 2014 um 18:10
Danke für diesen Vergleich. Ich achte ja auch immer auf die Inhaltstoffe von verarbeiteten Produkten. Auch wenn ich es nur selten esse habe ich ja noch 4 Nochnichtveganer zu versorgen. Dabei sind die recht hilfreich.
Der Fernsehbericht, der die veganen Fleischersatzprodukte „untersucht“ hat war absolut unseriös und vordergründig. Aber nach Ghandis Zitat: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du,“ sind wir ja nun schon beim bekämpft werden. Ist ja ein eher gutes Zeichen wenn man ihm glauben will :)
25. Mai 2014 um 23:41
Hallo Claudia,
vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. :)
Schöne Grüße
Lutz
26. Mai 2014 um 00:54
@Elvira, Gundula, Lutz: herzlichen Dank für Eure ergänzenden Beiträge und wertschätzenden Worte! Ich hatte eigentlich gar nicht vor, mehrere Sonntagsstunden auf so einen Artikel zu verwenden – hab aber spontan inspiriert angefangen, und musste es dann auch durchziehen! Reine Meinungsartikel machen deutlich weniger Arbeit – also tut es schon gut, wenn dann auch Kommentare kommen. :-)
Ja, manche sind am bekämpfen… aber viele fühlen sich auch angesprochen. Vegane Produkte erleben massive Nachfragesteigerungen – da kommen die Hersteller schon ins Grübeln und überlegen, was sie wo weglassen könnten, um auch diese Kundschaft noch „mitzunehmen“…
Kommt einem ja sowieso wie ein versteckter Arm der Müll-Entsorgung vor, was da alles an Tierprodukt in fast allem und jedem steckt! Die wissen nicht, wohin mit dem Zeug!
26. Mai 2014 um 08:13
„Dass die Normalkost der Bundesbürger von alledem ebenfalls jede Menge enthält […].“
Nur, weil das Essen von anderen nicht besser ist, heißt das noch lange nicht, das Fleischersatz gut ist. Das nur als objektive Nebenbemerkung, ohne eine größere Diskussion anzetteln zu wollen.
26. Mai 2014 um 08:42
@Jana: wenn du etwas als gut oder schlecht bewertest, ist das nie objektiv, sondern eben deine Meinung. Für mich sind einige Fleischalternativen durchaus „gut“ – das halbe Blog hier handelt von ihnen und also musst du schon damit rechnen, dass ich was dazu sage, wenn du sie allesamt schlecht findest. :-)
Damit man mal am Beispiel genau sieht, was denn nun tatsächlich drin ist – in beidem – hab ich ja das Beispiel gebracht und die einzelnen Substanzen nachgecheckt.
15. Juni 2014 um 11:56
Es geht nicht darum, ob diese Zusatzstoffe – einzeln nachgeschlagen – gefährlich für den Körper sind. Das sind die Zusatzstoffe in den konventionellen Lebensmitteln ja hoffentlich auch nicht. Mir geht es darum, dass diese Zusatzstoffe in den Lebensmitteln deswegen nichts zu suchen haben, weil sie aus Dreck Gold machen, um das derbe Sprichwort etwas salonfähiger zu machen. Ohne Aroma, Hefeextrakt und Farbstoff könnte man dieses Produkt nämlich nicht essen, weil es wie Papier schmecken würde. Und das ist auch meine Generalkritik an den Unmengen hochverarbeiteter und mit Aromen, Geschmacksverstärker (ist Hefe am Ende nämlich auch bloß), Verdickern und Farben hochgerüsteter veganer Lebensmittel, die es auf dem Markt gibt. Der einzige Vorteil an diesen Lebensmitteln ist, dass dafür kein Tier gestorben ist. Die Nachteile sind: es steckt viel Energie für die Herstellung drin, die Bestandteile sind hochverarbeitet und teilweise chemisch hergestellt, man nimmt eine Menge Zusatzstoffe zu sich und sie sind arschteuer.
Ich finde, gerade im veganen Bereich ist der Trend zum Pimpen von relativ geschmacklosen Ausgangsstoffen ungebrochen. Das verleidet mir das Sympathisieren mit veganem Essen ziemlich.
17. Juni 2014 um 11:51
Liebe Isis,
ich verstehe deinen Einwand gut. Und deshalb hab‘ ich im Artikel ja mal einen ausführlichen Vergleich mit einem „konventionellen“ Würstchen angestellt, der im Detail gezeigt hat, dass daran auch nicht viel „natürlich“ ist – aber es müssen Tiere dafür sterben!
Mit veganem oder nicht veganem Essen hat das Spannungsfeld „Zusatzstoffe, Verarbeitungsgrad etc.“ aber nicht zwangsläufig viel zu tun. Sondern mit der individuellen Neigung zu Fertigprodukten, Halbfertigprodukten versus „selber kochen“ (wir sehen konventionelle Würstchen ja gar nicht mehr als „Fertigprodukt“ an, was sie aber durchaus sind!)
Du kannst dich komplett vegan und gesund ernähren ohne gekaufte Fleischalternativen! Dann musst du allerdings ein bisschen planen und die Zeit zum selber kochen aufbringen. Hier im Blog findest du z.B. Rezepte zum Seitan-selber-machen aus Weizengluten. Bouletten aus Tofu, selber zubereiteter Seitan-Aufschnitt – und aus Grünkern, Kichererbesnmehl lassen sich auch gute „Burger“ herstellen. Getrocknete Algen in Suppen und Soßen geben den Speisen den „marinen“ Touch, auch Alternativen zu Quark, Frischkäse und Pizza-Käsebelag sind machbar, man muss es halt erst erlernen und dann auch machen!
Wie die Ökobilanz insgesamt aussieht, wenn jeder zuhause selber Seitanwürstchen herstellt verglichen mit einer großtechnischen zentralisierten Herstellung und Verteilung – DAS müsste erstmal jemand analysieren, ich bin mir nicht so sicher, was dabei heraus käme.
22. Mai 2015 um 23:34
Ich habe mich jahrelang mit Bauchschmerzen gequält, bis ich feststellen mußte, dass dies immer auftrat, wenn ich Lebensmittel mit Xanthan zu mir nahm. Erstmals war mir das aufgefallen, als ich mehrfach beim Grillen eingeladen war und fertige Grillsaucen oder vom Händler mariniertes Fleisch gegessen habe.
31. Mai 2015 um 19:18
Bin ich zum Grillen eingeladen kaufe ich mir auch vegane Würstchen falls ich nicht selbsthergestellte Seitanschnitzel mitnehme.
Für zuhause mach ich Würste grundsätzlich selbst. Nicht in der möglicherweise gesundheitsschädlichen Alufolie sondern ganz einfach in Weckgläsern für Marmelade. Die werden dampfgegart und nach dem Auskühlen kann man sie einfach rausstürzen. Entweder kann ichs dann in Scheiben oder in 4eckige Würste schneiden und portionsweise einfrieren.