Unverbissen vegetarisch

…flexitarisch, vegetarisch, vegan? Hauptsache, die Richtung stimmt!

Zwang kommt nie gut an: der grüne Veggie Day scheidet die Geister

Komisch eigentlich: Über die aktuelle Aufregung über die Forderung der GRÜNEN, in öffentlichen Kantinen einen Veggie Day einzuführen, verliert kein Vegan-Blog ein Wort. Jedenfalls nicht die, die bei docbears gelistet sind. Da gehts grade um Themen wie Kuchen im Glas, 1,2 Kilo Gewichtsverlust, Backbücher und um die Finanzierung eines rohköstlichem Bildbands.

Dass seit gestern auf Twitter das Hashtag #Veggieday trendet und viele empörte, aber auch befürwortende Tweets erscheinen, geht – zumindest bisher – an der veganen Blogger-Szene vorbei. Dabei ist das doch ein schöner Aufhänger, um sich mal wieder Gedanken zu machen, welche Mittel eigentlich geeignet sind, Menschen von einer mehr oder gar ausschließlich pflanzlichen Ernährung zu überzeugen.

Aufregung über die Aufregung

Der Hinweis, die Veggie-Day-Forderung sei wahrlich nichts Neues, ist keine ausreichende Antwort auf die hoch kochende Empörung. Dass die BILD hier etwas skandalisiert hat („GRÜNE wollen uns das Fleisch verbieten“), was lange schon Position der GRÜNEN ist – geschenkt!

BILD über die Forderung der GRÜNEN nach einem Veggie-Day

Es tritt halt JETZT ins Bewusstsein der Massen, und das auf eine Art, die viel Empörung und Proteste erzeugt. Und natürlich ist Wahlkampf, es wird also alles ausgegraben, womit man einer unliebsamen Partei vielleicht Stimmen abspenstig machen kann – auch wenn es nichts wirklich Neues ist.

Dankenswerterweise bemühen sich auch Leitmedien, die Fahne hoch zu halten und der Emörungswelle entgegen zu treten. So schreibt die Süddeutsche Zeitung in „Die Grünen, das Fressen und die Moral“:

Die Empörung zeigt, zu welchen erstaunlichen Verrenkungen das menschliche Moralempfinden fähig ist. Denn was ist schon der harmlose Appell der Grünen gegen das, was täglich in der Tierhaltung und auf Schlachthöfen geschieht? Vom ersten bis zum letzten Tag ist das kurze Leben der meisten Nutztiere qualvoll und würdelos.

Männliche Ferkel werden ohne Narkose kastriert, auf engem Raum großgezogen und schließlich über Stunden mit panischen Artgenossen zum Schlachthof gekarrt, wo sie oft nur halb betäubt im Brühkessel landen. Kälbern wird unter Schmerzen der Hornansatz verbrannt. Auch sie sterben oft halb bei Bewusstsein aufgehängt an der Schlachtstraße, nach einem Leben voller Sojafutter und Antibiotika.

Nicht einmal Vegetarier sind moralisch fein raus, so sie Milchprodukte und Eier essen: Auch Milchkühe bringen männliche Kälber zur Welt, und für ein Huhn wäre die Suppe allemal ein angemesseneres Ende als das Tierfutter, zu dem es nach kaum mehr als einem Lebensjahr oft verarbeitet wird.

Die Kommentare zu diesen Vorhaltungen sind deutlich, hier beispielhaft einer von vielen:

„Das Problem ist nicht, einmal pro Woche kein Fleisch zu essen – das machen viele Menschen ohnehin, egal aus welchen Gründen. Das Problem ist, wenn eine Partei oder Regierung uns dies vorschreiben will!“

schreibt der Leser „Schneemoser“ und bekommt dafür 75 Zustimmungs-Votings. Kein Wunder, denn auf Zwang reagieren viele Menschen erstmal aggressiv und ablehnend, auch wenn es sich um sinnvolle Vorhaben handelt. Was ist schon ein Veggie-Tag in öffentlichen Kantinen angesichts des massenhaften Fleischkonsums, der noch immer als „normal“ gilt?

So richtig obzön ist verboten erst schön

Meine Meinung zur Sache: Zwang kommt nie gut an! Alle, die sich über das „von oben verordnete Wohlverhalten“ aufregen, werden extra nicht in die Kantinen gehen, sollte der Veggie-Day kommen. Und das sind gewiss mehr Menschen als die fanatischen Fleisch-Fans, die bei jeder Gelegenheit betonen, wieviel dicke Steaks sie täglich für ihr Wohlergehen benötigen.

Sollten Zwangsmaßnahmen Schule machen, werden sich viele – durchaus kindlich in ihren Gefühlreaktionen – im Sinne eines widerständlerischen „nun erst recht“ an Extra-Fleisch-Orgien beteiligen. Will man das? Ich nicht!

Lasst jeden Tag Veggie-Tag sein – freiwillig!

Viel sinnvoller als ein zwangsweise verordneter Veggie-Tag wäre die Pflicht für alle öffentlich-rechtlichen Kantinen, JEDEN TAG mindestes ein veganes Gericht mit Fleisch-Alternativen anzubieten, nicht teurer als die Gerichte mit Fleisch. Also NICHT nur klassisch vegetarisches Rezepte mit viel Käse, Milch und Ei, sondern tatsächlich ALTERNATIVEN zu dem, was die Leute in den Kantinen gerne als Fleischgericht essen: Nudeln mit Bolognese, Wiener Schnitzel, Gulasch, Geschnetzeltes, Bouletten – all das lässt sich so stimmig aus Seitan, Sojafleisch und Tofu herstellen, dass man den Unterschied nicht bemerkt, wenn man nicht darum weiß.

DAS wäre mal ein Fortschritt! Denn so würde bekannt, dass es Fleisch nicht braucht, um klassische Fleisch-Rezepte umzusetzen. Viele würden so endlich bemerken, dass „vegan“ nicht bedeutet, nur von Gemüse und Salat leben zu müssen und auf alles, was man gerne gegessen hat, zu versichten.

Klar, das wäre eine echte Herausforderung für die Kantinen, die lernen müssten, solche Gerichte stimmig und wohlschmeckend zuzubereiten. Aber machbar wäre es, schließlich steht das Web voll von einschlägigem Knowhow und Verbände wie der VEBU unterstützen solche Neuerungen, der Vegan-Koch Björn Moschinski hat z.B. vielfach vorgemacht, dass sein veganes Gulasch auch im großen Stil, nämlich in Uni-Mensas funktioniert.

Kurzum: eine Verpflichtung zum ANBIETEN toller und preiswerter Fleischalternativen käme weit besser an als der Versuch, die Menschen zu ihrem Glück zu zwingen!

Autor: Claudia Klinger

Mit weiteren, teils recht persönlichen Themen findet man mich auf meinem seit 1999 aktiven Digital Diary. Und Veggie-News gibts auf Twitter.com/unverbissen. Unverbissen Vegetarisch gibts - noch! - auch auf Facebook,

16 Kommentare

  1. Hallo Claudia – das Thema geht ganz und gar nicht an mir vorbei. Zu Deinem Satz „Dabei ist das doch ein schöner Aufhänger, um sich mal wieder Gedanken zu machen, welche Mittel eigentlich geeignet sind, Menschen von einer mehr oder gar ausschließlich pflanzlichen Ernährung zu überzeugen.“ Genau das habe ich vor der Gründung meines Blogs getan. Ich will damit zeigen, welch schönen Dinge es gibt, die allesamt vegan sind. Bei mir geht es nicht um Überzeugen, das Heben des Zeigefingers oder um Empörung, sondern um Inspiration. Mit dieser Inspiration und Leichtigkeit bin ich über die Jahre hinweg sehr gut gefahren, denn sie nehmen die Angst vor Verzicht, die immer noch viele verspüren. Das zeigt ja auch die aktuelle Debatte und Empörung. Viele Grüße, Franziska

  2. Hmm, war das jetzt ein Vorwurf in meine (unsere) Richtung?
    Ich habe gestern darüber im Radio gehört, mir schon meine Gedanken gemacht, und hatte bereits einen Post in Planung.
    Leider schreibt man solch einen Artikel aber nicht mal eben nebenbei, wie man sich über seine Gewichtsabnahme freut, deshalb wurde er noch nicht veröffentlicht.
    Mit deiner Bezugnahme hier, hat jetzt jeder folgende Beitrag unsererseits, irgendwie nen komischen Beigeschmack :-(

    Meine kurze Meinung dazu: Ich gebe dir recht, das ein einzelner Tag in der Woche nicht viel bringt, und man mit Zwang meistens nichts erreicht. Ich wäre auch dafür, das es immer vegetarische Alternativen geben sollte. Mehr Aufklärungsarbeit ist wichtig und nötig!
    Naja und die Schlagzeile der Bild war natürlich mal wieder total überzogen…

    Grüßle, Jessi

  3. @Franziska @Jessi,

    sorry, natürlich gibts keine Pflicht, zu aktuellen „Aufregern“ zu bloggen – ich war einfach ein bisschen enttäuscht, dass ich so gar nichts dazu fand. Hätte mir das entsprechende Intro besser sparen sollen, anstatt diese Emotion auch noch gleich Text werden zu lassen!
    Immerhin sind Euro Beiträge so einmal mehr verlinkt und die „friedliche“ Art der Inspiration findet ein paar Leser/innen mehr…

  4. Meiner Meinung nach wäre das wirklich ein Schritt in die richtige Richtung. Jeden Tag Fleisch IST ungesund, das ist eine Tatsache. Und Fleisch ist nur eine Zutat, es wäre genau so, als würden wir uns beschweren, dass es in der Kantine nicht jeden Tag Tofu oder Gemüse gibt. Es ist etwas anderes, ob man jemanden dazu zwingt, etwas nicht zu essen oder eben etwas zu essen.

  5. Ja, das war gestern was! Ich hatte mit einigem Brechreiz zu kämpfen ob der unreflektierten und unrecherchierten Kommentare in meiner TL. Immerhin, einen Tag später, äußert sich doch der ein- oder andere. Zum Beispiel Attila Hildmann. Immer noch mangelhaft recherchiert, da auch er meint, den Grünen ein Fleischverbot unterstellen zu müssen, aber immerhin etwas unaufgeregter und mit Deiner Position (war wohl auf Deiner Seite;)). Was ich verstehe: Die Haltung, dass Zwang nichts bringt. Das sehe ich auch so. Was ich weniger verstehe: Das Festhalten an dem Wort „Zwang“, wo doch mittlerweile klar ist, dass die Bild dahingehend getan hat, was sie am besten konnte: überdramatisieren und fehlinformieren. Abgesehen von diesem unschönen Wort, das ich gerne völlig wieder aus der Debatte verbannt sehen möchte, bringt mich die ganze Aufregung und nicht zuletzt Dein Post sehr zum Nachdenken. Wenn eine freiwillige Aktion des vebu durch einen Titel in der Sommerloch-Bild zu einer öffentlichen Hetze gegen Grüne und Vegetarier führt, ist die Initiative gescheitert, und zwar gründlich. Vielleicht übertreibe ich da jetzt, aber als einer der Mit-Engagierten hier in Heidelberg überlege ich, meine Konsequenzen zu ziehen. Etwas Positives kann ich dem Ganzen dennoch abgewinnen, auch wenn ich traurig und frustriert bin: Jetzt haben Veganer und Vegetarier die Chance, sich publikumswirksam zu positionieren. Vielleicht bringt es ja was:) Danke, wie immer, für Deine Gedanken!

  6. Ich habe lange überlegt, zu meinem Blog, der ursprünglich meine Patchwork- und Quiltprojekte zeigen sollte, ein weiters Blog zu schreiben, eines über meine veganen Erfahrungen. Da es aber bereits so viele gibt, habe ich ganz harmlos begonnen, Fotos von leckeren veganen Gerichten in meinem Blog zu posten, und zwischendurch tierethische Themen einzustreuen. Gerade heute hat mir eine Leserin den Link eines Artikels aus der taz geschickt, der sich gegen veganes/vegetraisches Leben aus ökologischer Sicht richtet. Ich bin es manchmal einfach leid, mich rechtfertigen zu müssen. Und wenn ich lese, was aus dieser Idee der Grünen gemacht wird, wie die meisten Menschen darauf reagieren und zum Teil überreagieren, dann frage ich mich wirklich, wie aufgeklärt der Verbraucher ist. Selbst Frau Aigner wettert gegen den Veggie-Day. Die selbe Frau allerdings unterstützt in Hannover eine ähnliche Initiative.

  7. Ich habe eine Weile hin- und herüberlegt, ob ich einen Beitrag in meinem Blog dazu schreiben soll. Aber erstens bereite ich meine Beiträge gerne 1, 2 oder mehr Tage im Voraus zu (dann kann ich noch ein bißchen an der Formulierung feilen) und zweitens hatte ich eigentlich gar nicht so viel Lust, das Diskussionsfeuer noch weiter anzufachen. Ich verstehe die Aufregung der Leute nicht – außer, dass ich auch oftmals störrisch reagiere, wenn mir jemand etwas vorschreiben will.
    Aber mal so gesehen: Niemand will etwas verbieten. Und welcher Anteil der Bevölkerung isst denn überhaupt in Kantinen? Das sind nur die Leute, die arbeiten, also fällt ein Großteil der Bevölkerung schon mal weg. Und von denen, die arbeiten, haben gar nicht so viele Gelegenheit, in eine Kantine zu gehen. Und von denen, die Gelegenheit zum Kantinengang haben, nimmt diese Gelegenheit gar nicht jeder wahr (ich zum Beispiel auch nicht).
    Auch ist der Mensch jahrhundertelang ohne Kantinenessen oder tägliches Fleisch ausgekommen. Es gab Zeiten, da waren die Leute froh, wenn sie ein Stück trockenes Brot essen konnten. Ok, das mag niemand hören, ist aber so. Heute will niemand mehr verzichten, alles muss ständig hab-bar sein.
    Weil mir von vornherein klar war, dass man andere nicht durch erhobenen Zeigefinger oder Verbote erreichen kann, liegt der Focus in meinem Blog auch mehr darauf, zu zeigen, dass veganes Essen lecker ist. Durch Beispiele, dass es weder kompliziert ist, vegan zu kochen noch dass man auf leckeres Essen verzichten muss, erreicht man – denke ich – eher, dass es jemand ausprobiert.
    Was wohl eigentlich auch die Idee hinter dem Grünen-Vorschlag war – dass Kantinen durch den Veggie-Tag eine Vorreiterfrunktion einnehmen und zeigen, dass es auch anders geht. Wie gut die einzelne Kantine das dann umsetzt, ist noch ein anderes Thema. Wenn vegetarisches oder veganes Essen dort dann nämlich totgekocht wird oder auf Gewürze verzichtet wird, dann wird dies die Fleischesser eher noch in ihrem Vorurteil bestätigen.

  8. Könnt ihr mir mal die Quelle nennen, die besagt, dass die Grünen so einen Veggie-Day als Zwang einführen wollen? Bisher wurde doch nur davon gesprochen, Anreize für einen Veggie-Day zu schaffen, indem man ihn politisch fördert. Was ist daran schlimm? Genau das wollen wir doch eigentlich – dass wir nicht mehr nur alleine auf weiter Flur kämpfen, sondern die Politik endlich mal vegetarisches Essen fördert. Dass Fleisch subventioniert wird, empfindet doch auch niemand als Zwang, Fleisch zu essen.

    „Einen Zwang hin zum „Veggie Day“ solle es keineswegs geben, betonte Göring-Eckardt. Allerdings könne sie sich vorstellen, dass die Politik es fördere, wenn der Speiseplan an diesen Tagen abwechslungsreich gestaltet werde.“

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fleischloser-tag-widerstand-gegen-veggie-day-der-gruenen-a-914949.html

  9. Stephie fragt nach der Quelle für den grünen Veggie-Day-Zwang.
    Der Blog „Ruhrbarone“ hat extra noch einmal bei den Grünen nachgefragt und vom Pressesprecher Jens Althoff folgende Auskunft erhalten:
    „Wir sind dafür, dass öffentliche Kantinen einen ‘Veggie Day’ einführen – so wie es in Bremen ja schon gut funktioniert.
    Dafür braucht es kein Gesetz, das wäre auch übertrieben.
    Wir bauen zunächst darauf, dass sich die Einsicht für einen fleischfreien Tag in der Woche in der Kantine durchsetzt und entsprechend freiwillig eingerichtet wird.
    Wo dies nicht geschieht, und die öffentliche Hand durch ihre Trägerschaft einen ‘Veggie Day’ einführen kann, dort sollte sie das dann auch tun.“
    Die Aussage, „wir bauen zunächst darauf… “ läßt den Rückschluß zu, dass man, wenn die nötige Einsicht fehlt, andere Maßnahmen treffen will. Die Aussage des Pressesprechers enthält also ein staatliches Zwangselement, nämlich dort, wo Kantinen nicht von sich aus “zur Vernunft kommen”.
    http://www.ruhrbarone.de/fleischlose-gruene/

  10. Danke für die Info. Mir persönlich reicht die Interpretation eines Satzes nicht aus, um ganz sicher von einem drohenden Verbot auszugehen. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Man könnte das auch so verstehen, dass man zunächst von einer freiwilligen Teilnahme ausgeht. Wenn nicht, soll der Träger diesen fördern. Das muss nicht automatisch durch Verbote und Zwang passieren. Da hat die Bild ja mal wieder Erfolg auf ganzer Linie.

  11. Ich habe jetzt einfach mal selbst nachgefragt. Sobald ich Antwort habe, gebe ich Bescheid :)

  12. Danke Stephie für dein Engagement und die damit verbundene Aufklärung!!

  13. Gerne, dass war ja keine große Mühe. Andere haben auch schon nachgefragt, aber ich glaube, entweder wurde das nicht groß publik gemacht oder die Antwort war nicht so eindeutig. Kommt vielleicht aber auch auf die Fragestellung an.

  14. In vielen Kantinen werden seid vielen Jahren schon vegetarische Alternativgerichte angeboten. Der Veggie-Day ist doch ein schöner Vorschlag. Was ist denn schlimm daran, sich mal mit seiner Nahrung auseinanderzusetzen, dann lernen wir uns selbst auch noch ein bisschen besser kennen, „Du bist, was du isst.“
    Leider hat die Fleischwirtschaft aber Interesse daran, dass niemand darüber nachdenkt, also lieber das Maul zerreißen und den Vorschlag der Grünen ins Lächerliche ziehen.