Während ich meinen Beitrag zur veganen Weißwurst verfasste, bin ich auch auf einem SPIEGEL-Artikel gelandet, indem sich mal wieder ein Normalköstler über Fleischersatz-Produkte aufregt. Da schreibt Jan Spielhagen in „Vegetarische Lückenbüßer: Wenn das Eiweiß Weißwurst spielt“:
„Sie haben richtig gelesen: fleischfreies Schnitzel aus Milch. Verrückte vegetarische Welt, in der sich sogar die Aggregatzustände bekehren lassen. Milch wird zu Schnitzel. Das ist ja besser als Wasser zu Wein, mein Gott! Und es klingt auch so sympathisch. Nach der neuen Milchschnitte. Nur eben nicht für Kinder, sondern für Kerle. Richtig harte Jungs, die beim Grillen ihren weichen Kern entdecken, endlich fleischlos essen wollen und sich fortan ihre Extraportion Milch vom Rost holen. Da verdreht ja die Bärchenwurst im Kühlschrank vor Neid die Augen.
Und dann erst der Geschmack, wieder ein Zitat aus dem Pressetext: „Es sieht aus wie Fleisch, hat eine saftige Konsistenz und schmeckt genauso herzhaft und lecker.“ Toll! Endlich schmecken Lebensmittel nicht mehr, wie sie schmecken. Sondern sie schmecken, wie andere Lebensmittel schmecken. Was ist da alles möglich in der Zukunft? Heute schmeckt Milch nach Fleisch. Aber was ist Morgen? Apfel schmeckt nach Birne. Butter nach Marmelade. Traube-Nuss-Schokolade nach Landleberwurst. „
Glitschige Tischtenniskelle mit pappähnlicher Konsistenz?
Jetzt sehen wir mal davon ab, dass er sich auf ein Valess-Schnitzel bezieht, das nicht mal vegan ist, sondern aus Milcheiweiß besteht. Das erklärt sein Geschmackserlebnis („Es sieht aus wie eine glitschige Tischtenniskelle, hat eine pappähnliche Konsistenz und schmeckt nach Marinade.“), doch wird das Argument dadurch ja nicht tangiert: Egal ob es vegetarische oder vegane Produkte sind, die „wie Fleisch“ daher kommen – immer wieder und immer gleich äußern sich auch die Lästermäuler.
Das Kernargument, das eigentlich gar keines ist, klingt bei Spielhagen so:
Warum um alles in der Welt müssen Fleischgerichte imitiert werden? Wer ohne Fleisch leben kann, kann doch auch ohne Imitate leben, oder nicht? Ich stelle mir das in anderen Lebensbereichen vor: Wer sich gegen das Auto- und für das Radfahren entscheidet, schweißt sich doch auch keinen V8-Motor auf den Gepäckständer.
So so. Der Vergleich klingt zwar witzig, aber er hinkt, bzw. kommt gar nicht erst auf die Beine. Beim Essen geht es zum einen um die verwendeten Lebensmittel, die nach ethischen, ästhetischen, gesundheitlichen und Umwelt-Gesichtspunkten bewertet werden können. Zum anderen geht’s um das Geschmackserlebnis, an dem wir alle – egal ob Veggies oder „Omnivoren“ – erstmal viel näher und unmittelbarer dran sind. Und dieses Geschmackserlebnis lässt sich eben auch mit pflanzlichen Lebensmitteln erzeugen: Würstchen, Schnitzel, Bolognese & Co. lassen sich erwiesenermaßen so gut nachempfinden, dass schon viele Fleischesser den Unterschied nicht gemerkt haben.
Ein „Fahrgefühl wie im Auto“ lässt sich dagegen auf dem Rad nie und nimmer erzeugen. Und die Entscheidung für den Umstieg aufs Rad bedeutet in aller Regel auch: Ich will nicht ein bis zwei Tonnen Stahl und Plastik mitführen müssen, wenn ich mich von A nach B bewege, sondern bevorzuge das „schlankere“ und in der Stadt oft schnellere Rad, gerade WEIL es anders ist als das Auto.
Aufs Essen übertragen hieße ein stimmiger Vergleich: Ich bevorzuge Gemüse, weil mir Fleisch nicht schmeckt.
Doch ja, es schmeckt!
Das aber gilt bei weitem nicht für alle, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, bzw. in diese Richtung gehen wollen. Ja, es ist (aus dem, was ich in meinem Umkreis zu mitbekomme) eher eine Minderheit „klassischer Vegetarier“, die oft schon von Kindheit an Fleisch nicht mochten und gar nicht verstehen können, wie man das mögen kann. Andere sitzen der blödsinnigen Argumentation der Normalköstler auf und meinen, es sei schon eine „Sünde“, auf den Geschmack traditioneller Fleischgerichte zu stehen. Dabei liegt die „Sünde“ – wenn schon – doch erst im Verzehr, nicht schon im Appetit auf „Fleischiges“, der sich eben auch mit Imitaten zufrieden gibt, wie schön!
Das erfolgreiche Experimentieren mit Fleisch-Alternativen verdanken wir nicht klassischen Vegetariern, sondern Veganern, die sich nicht mehr als „Körner&Gemüse-Freaks“ sahen (wie noch die Umwelt-Bewegten der 70ger und 80ger-Jahre). Die es wagten, dazu zu stehen, dass sie – eigentlich – Würstchen, Kebab und Hamburger durchaus genießen, es aber aus guten Gründen ablehnen, dafür weiterhin Tiere zu nutzen – mit all den schrecklichen Folgen, die wir kennen.
Das ermöglichte eine ganz neue Herangehensweise, um Normalköstler anzusprechen. Mit VERZICHT gewinnt man nämlich keinen Blumentopf in unserer Gesellschaft, geschweige denn Einfluss! Das mag man bedauern und sich persönlich davon distanzieren, doch bleibt man dann halt immer in einer kleinen belächelten Minderheit. Persönlich nach jedem denkbaren Kriterium REIN bis in die letzte Geschmacksknospe, aber wirkungslos.
Ein Wort zu den „Leichenteilen“
Andere Veganer, die weitgehend und sehr radikal vegan leben, leiden ernsthaft, wenn sie mit Normalköstlern essen gehen müssen oder irgendwo eingeladen sind, wo Menschen Fleisch essen. Sie sehen nicht mehr das „gute, medium gebratene Steak“, sondern das Leichenteil des geschundenen und getöteten Tieres. Damit einher gehen verständliche Ressentiments gegen Fleischesser, denen all das Tierleid offenbar egal ist. Und weil sie ihre Gefühle oft nicht verbergen können, bekommen sie auch entsprechend Gegenwind: fanatische Veganer, die allen den Appetit verderben und sich als bessere Menschen über andere erheben – so in etwa die gängige Sicht der Dinge.
Fleischersatz-Produkte werden von ihnen oft ebenfalls abgeleht, weil sie an Tierfleisch erinnern und man sich besser insgesamt abgewöhnen solle, danach zu verlangen. Das wird mit einer Energie vorgetragen, die ahnen lässt, dass eine klassische „Projektion“ dabei mitspielt: Was ich bei mir selber ablehne und mir so erfolgreich verboten habe, dass ich es nicht mehr wahrnehme, werfe ich anderen umso heftiger vor.
Ich finde diese Menschen zwar anstrengend, achte sie aber als wichtigen Teil der Bewegung. Ihr SoSein lässt sie „Stachel im Fleisch“ gemütlicher Normalköstler sein – und bezüglich der Milchprodukte bringen sie auch viele Vegetarier zum neu nachdenken. Dass sie andrerseits auch viele verschrecken, hebt diesen Nutzen nicht auf. Wir haben ja kein Zweit-Universum, in dem wir testen könnten, wie es ohne „Radikale“ wäre. Meine Lebens- und Politik-Erfahrung sagt mir jedenfalls: ohne radikale und manchmal auch „militante“ Aktivisten kommt kaum eine Bewegung aus, die Erfolg hat!
Zweischneidiger Bewusstseinswandel
Mittlerweile hatte ich genug fast-voll-vegane Phasen, um aus eigenem Erleben zu wissen, wie man zur „Leichenteil-Sicht-der-Dinge“ und der entsprechend radikalen, aber auch leidvollen Einstellung kommt. Darüber schreibe ich vielleicht mal in einem anderen Artikel, jetzt sei nur gesagt: Ich hab‘ mich dagegen entschieden. Mich braucht es nicht in diesem Teil der Bewegung, denn ich spreche eher Menschen an, die noch gerne Normalköstler sind, aber kritisch gegenüber der Massentierhaltung.
Für mich liegt auf der Hand: Nicht jeder muss Veggie werden, um das Elend der Massentierhaltung abzuschaffen. Wartet man darauf, dass eine Mehrheit vegetarisch oder gar vegan wird, wartet man bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Was also anliegt, ist eine lebbare Reduzierung von Tierprodukten für viele. Dabei sind Fleischersatz-Produkte bzw. „Fleisch-Alternativen“ SEHR HILFREICH.
Denn was bleibt als Argument für Fleisch, wenn die vegane Bolognese genauso gut schmeckt?
16. Oktober 2012 um 14:00
Ich empfinde das Kernargument, das keins sei, durchaus als eins. Warum sollen Lebensmittel nicht sie selbst sein, sondern andere darstellen? Allerdings hält dem dein Gegenargument stand. Wenn das Ersatzprodukt wie Fleisch aussieht, sich so anfühlt und schmeckt und dabei gesünder ist, dann nimmt einem das Argumente für die Fleischproduktion aus der Hand. Genau das leisten die Surrogate, wenn sie gut sind, mehr aber nicht. Sie sind also ein Übergangsphänomen (oder -mittel) – hat man sich an eine alternative Ernährung gewöhnt, dürfen die Lebensmittel wieder sich selbst gleichen. Autos sehen heute auch nicht mehr aus wie Kutschen. Für mich, der ich kein Fleisch mag, sind Fleischersatzprodukte uninteressant. Ich will ja nicht, dass es wie Fleisch schmeckt, Würste finde ich eklig und nicht verlockend. Das entgeht den Fleischessern nicht und es fällt ihnen leicht, die Ablehnung der Vegetarier zu übernehmen. Vegetarier essen „das Echte“, Fleischfreunde essen „das Echte“, „ihr“ tut nur so als ob. Das heißt dann, den Fleischkonsum nicht aufgeben zu wollen – man mag, wenn man der Vernunft nichts mehr entgegenzusetzen hat, was fürs Gefühl. Kurzum: Argumente sind welche oder nicht, gute oder schlechte, je nachdem, wer sie zu welchem Zweck wie gebraucht.
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16. Oktober 2012 um 19:24
Danke für den Artikel, Claudia. Das bringt genau meine Meinung auf den Punkt.
Ich bekommen oft zu hören: ‚Aber das hat dir doch früher sooo gut geschmeckt‘ oder ‚Vermisst du nichts?‘
Meine Antwort: Ja, es hat mir geschmeckt und Ja, es würde mir IMMER NOCH schmecken ABER(!!!!) ich MÖCHTE es nicht mehr essen! (aus ethischen Gründen)
UND vorallem BRAUCHE ich es auch NICHT mehr und zwar weil ich NICHTS vermisse! Fleischersatzprodukte sind daran ‚Schuld‘, dass ich nichts vermisse und das ist gut so! Wieso muss ich was töten lassen, obwohl ich den gleichen Geschmack auch ohne Töten haben kann? Das ist mir unverständlich. Ist doch eigentlich ******egal, aus was es ist, solange dafür nichts sterben oder gequält werden musste (und natürlich solange es nicht krank macht.)
Meiner Meinung nach kann keiner mehr sagen, ‚Ich würd ja auch kein Fleisch mehr essen, aber es schmeckt einfach so gut‘ Die Ausrede zählt bei mir einfach nicht mehr.
16. Oktober 2012 um 22:28
Ein sehr guter und auch gut geschriebener Artikel. :-)
Aber eine Sache fehlt mir in dem Artikel noch. Klar heutzutage gibt es sogar Fleischersatzprodukte, die ein halbes Hähnchen darstellen, das find ich persönlich auch zu übertrieben.
Aber gehen wir mal von den „typischen“ und ersten „Fleischersatzprodukten“ aus: Sellerieschnitzel, Würstchen, burgerähnliche Bratlinge.
Alles drei Produkte bei denen man dem Fleischprodukt garnicht ansieht, was für ein Tier das mal war und welches Teil verarbeitet wurde. Das zu essende Tier wird also auch nicht im „Urzustand“ vorgesetzt, sondern schon bis zur Unerkenntlichkeit verarbeitet. Sicher hat das „gute“ Gründe wie zum Beispiel: praktischere Form (Würstchen, Burger) oder ist einfach leckerer (paniertes Schnitzel), aber oft auch „schlechte“ Gründe: wenn man etwas erstmal durch den Fleischwolf gedreht oder paniert hat, sieht man auch nicht mehr so einfach, was für eine Qualität, das Fleisch mal hatte…
Und was dazu kommt: ich kenne tatsächlich Leute, die können kein halbes Hähnchen, Hähnchenkeulchen oder frisch vom noch im Stück sichtbaren Schweinebein abgeschnitteten Seranoschinken essen, eben weil man dabei sieht, dass es vom Tier kommt. Aber Würstchen und Burger sind natürlich kein Problem… ;)
Und wenn mir dann jemand sagt, weil ich gerne mal ein Tofuburger esse, würde ich „heucheln“, denn wenn ich Bock auf Burger habe kann ich ja kein „richtiger Veganer“ sein, dann kann ich nur lachen ;)
18. Oktober 2012 um 12:22
Ein wirklich schöner, präziser Artikel. Er spiegelt auch ganz meine Meinung wieder.
Beim Lesen musste ich lachen, als ich die Argumente von Jan Spielhagen las, denn ich dachte direkt an solche Wunderwerke der Fleischindustrie, wie Formfleisch, welches aus Fleischabfällen wieder Schinken macht. In meinen Augen verar***** sich die Omnivoren doch da nur selbst. Ich finde es nur traurig, dass versucht wird mit so einer schwachen Argumentation den Vegetarismus, in seiner vielfältigen Form, schlecht zu machen. Leider fällt mir das in den Medien in letzter Zeit wieder vermehrt auf. Die Verlierer bei dieser Fleischpropaganda sind dabei wieder einmal die Tiere.
22. Oktober 2012 um 14:44
Liebe Claudia, mal wieder schreibst du mir aus der Seele.
Ich verfolge deinen Blog von Anfang an und vieles von dem, was du schreibst empfinde ich ganz genauso.
Gerade diese Sache mit den Aufregern über die scheinbare Inkonsequenz von Vegetarieren/Veganern, die Fakefleisch essen. Bei solchen Artikeln oder auch Kommentaren habe ich auch schon ganz oft genau so wie du gedacht: Wollen oder können die nicht kapieren??
Ich frage mich dann immer, was es daran zu kritisieren gibt, wenn jemand etwas vegetarisches isst, was geschmacklich an ein bekanntes Fleischgericht erinnert. Schließlich sind doch die meisten von uns nicht als Vegetarier geboren und wenn es mich doch glücklich macht, etwas zu essen, was einem bekannten Gericht von früher nahekommt, für das aber kein Tier sterben musste, wo ist hier das Problem? Mach weiter so und ich freu mich schon total auf dein Buch!!
3. November 2012 um 12:02
Ich möchte dazu gern zwei Dinge anmerken. Zum einen scheint mir der Wunsch nach Fleischersatz ein rein kulturelles Phänomen zu sein: Die große Mehrheit derer, die heute hierzulande fleischlos leben, ist nicht fleischlos aufgewachsen. Zum „Essen wie bei Mutti“ gehört für viele daher der klassische Dreiteiler: Fleisch mit Gemüse- und Sättigungsbeilage. Schnitzel mit Pommes und Salat, Gans mit Klößen und Rotkohl, Sauerbraten mit Kartoffeln und Blumenkohl – oder was auch immer es bei Euch „dazu“ gab. Und das war schliesslich lecker.
Die Bestandteile der Mahlzeit ohne Fleisch waren aber halt immer die „Beilage“ – und möchte man „wie bei Mutti“ und trotzdem fleischlos essen, dann bleibt halt nur noch das „Dazu“ übrig. In diese Lücke springt in meinen Augen jegliche Form von Fleischersatz. In einer Bolognese den Matsch zu ersetzen, das ist in
meinen Augen gar nicht so das Problem, das geht zum Beispiel mit Linsen sehr gut und schmeckt eigentlich noch besser als mit – um es mal auf Radikalvegan zu sagen – gewolftem Aas.
Der in meinen Augen bessere Weg zu einer fleischlosen Ernährung ist daher, sich einer Küche zu bedienen, die das Fleisch nicht zum Gravitationszentrum auf dem Teller macht, und in der man das Fleisch dann durch einen mehr oder weniger unbefriedigenden Ersatz austauscht, sondern die von vornherein das Stück Fleisch
gar nicht auf dem Plan hat. Anregungen dazu finden sich etwa zuhauf in der indischen Küche – naheliegend, da dort nahezu eine halbe Milliarde Menschen aus weltanschaulichen oder aber schlicht wirtschaftlichen Gründen vegetarisch lebt, damit auch aufwächst und von daher eine ergiebige Quelle sowohl leckerer als
auch nahrhafter vegetarischer Gerichte „wie bei Mutti“ sein muss.
Wenn man sich da erst einmal abgeschaut hat, wie’s gehen kann, fällt es nicht schwer, Fleisch auch ohne Ersatz aus seinem Speiseplan herauszuhalten. Schliesslich kommt ja auch niemand auf die Idee, das Hackfleisch im Falafel zu vermissen – es gehört da einfach nicht hinein. Und in diesem Licht klingt das Zitat aus dem Spiegel-Artikel gleich ganz anders:
„Warum um alles in der Welt müssen Fleischgerichte imitiert werden? Wer ohne Fleisch leben kann, kann doch auch ohne Imitate leben, oder nicht?“ – Ja, kann er!
Was mich persönlich allerdings nicht davon abhält, zuweilen auch mal ein Valess-Schnitzel zu essen – wenn ich zum Beispiel Gäste habe, die nun mal Muttis konventionellen Dreiteiler bevorzugen. Für solche Gelegenheiten empfinde ich dieses haferfaserverstärkte Stück Frischkäse mehr als okay, und meine omnivoren Freunde bescheinigen dem Produkt, im Gegensatz zum Autor des Spiegel-Artikels, durchaus „Hähnchenschnitzel-Qualität“. Es sei dahingestellt, ob das nun für oder gegen das Hähnchenprodukt spricht. Ich finde das Milchschnitzel jedenfalls durchaus genießbar.
Das alles bringt mich direkt zum zweiten Punkt, den ich gern ansprechen möchte:
„“Es sieht aus wie Fleisch, hat eine saftige Konsistenz und schmeckt genauso herzhaft und lecker. Toll!
Endlich schmecken Lebensmittel nicht mehr, wie sie schmecken. Sondern sie schmecken, wie andere Lebensmittel schmecken.“
Der Autor schießt damit ein Eigentor: Was er da beschreibt, ist exakt das, was ein großer Teil der Lebensmittelindustrie heute so herstellt – Lebensmittel, die so schmecken, wie es andere tun. Man denke nur an die Zitronensäure, die mit Hilfe von Schimmelpilzen hergestellt wird – die Menge der Säure aus Pilzen übersteigt die mögliche Menge aus der kompletten Welternte an Zitronen um das Fünffache. Mit Zitronensaft hat das Produkt allerings nur den Säuregehalt gemeinsam.
Aber um zum Thema „Fleisch“ zurückzukommen: Die Lebensmittelindustrie ist heute prinzipiell in der Lage, aus jeglichem Basisprodukt, das Kohlenwasserstoffe enthält, im Labor etwas herzustellen, das dem Verbraucher genießbar erscheint – ob die Basis nun Schlachtabfall, Biomüll, Autoreifen oder reines Erdöl ist, wobei letzteres als Rohstoff vermutlich einfach zu teuer ist. Dass bis dato nur die Schlachtabfälle herangezogen werden, um Chicken Nuggets, Formfleisch, Don’t-Call-It-Schnitzel oder ähnliche Leckereien herzustellen, liegt wahrscheinlich allein an der Gesetzeslage – Skrupel aus anderen Gründen gibt es da vermutlich keine. Bestenfalls werden im Produktionsprozess gängiger Convenience-Produkte billige Fleischreste, die eventuell „as is“ als Geschnetzeltes verbraucht werden könnten, enzymatisch zu einem „Stück Lebenskraft“ zusammengeklebt – im ungünstigsten Fall werden Dinge, die kein Mensch freiwillig in eine Pfanne geben würde, bis zu Unkenntlichkeit zermahlen, in Form gebracht, paniert und dem Verbraucher als „Nugget“ oder Ähnliches präsentiert. Die Mehrheit scheint mitterweile so konditioniert, dass die Dinge auch dann konsumiert werden, obwohl man weiß, was eigentlich drin ist. Das musste zum Beispiel Jamie Oliver in diesem frustrierenden Experiment feststellen: http://www.youtube.com/watch?v=S9B7im8aQjo
Um auf den Punkt zu kommen: Bei industriell hergestellten Lebensmitteln weiß der Verbraucher heute im Grunde nie, was er auf den Teller bekommt. Das gilt für fleischlose Produkte in gleichem Maße wie für solche auf Basis von Fleisch. Daher muss die Bärchenwurst im Kühlschrank gar nicht neidisch gucken. Und es steht zu befürchten, dass der Autor in seinem Beitrag halbwegs angewidert auf die Konsistenz des „Milchschnitzels“ reagiert, weil er – bewusst oder unbewusst – genau weiß, dass er selbst etwas von exakt derselben Konsistenz mit ähnlichem Geschmack an der Autobahnraststätte als „Curry-Schnitzel Bombay“ serviert bekommt…
25. November 2012 um 11:45
Hallo,
Ich ernähre mich jetzt seit etwa 2 Wochen vegan, d.h. Keine Milchprodukte, keine Eier und natürlich kei Fleisch. Was mich wirklich irritiert, sind diese Fleichalternativen. Warum braucht man vegane Würstchen, Schnitzel usw.? Warum suchen manche Neuveganer und – Vegetarier verzweifelt nach Ersatz zu Käse und Würstchen? Was soll das? Ich komme sehr gut ohne aus, habe auch keine Entzugserscheinungen. Der Spiegel-Artikel spricht mir wirklich aus der Seele. Ich kann mich auch ohne Fleischersatzprodukt gut ernähren. Und bei Fertigprodukten, ob sie nun vegan oder aus Fleisch sind, geht bei mir sowieso die Alarmglocke an. Das war schon immer so. Ich kaufe z.B. prinzipiell keine Margarine nachdem ich einmal mir genauer angesehen habe, was da alles drin ist. Dann lieber Butter (jetzt natürlich auch keine Butter mehr). Joghurt mit Geschmack kommt schon lange nicht mehr ins Haus, Fertigpizza nur im Notfall (als berufstätige Mutter mit 2 Kindern muss man schon mal Kompromisse eingehen). Gestern habe ich Pizza selbstgemacht und für mich gab es hält Pizza mit tomatenpüree und getrockneten Tomaten ohne Käse und auch auch ohne Käseersatz. Sehr lecker.
26. November 2012 um 21:47
Ich selber lebe omnivor, esse aber selten Fleisch (denn meine Devise ist: Wenn Fleisch, dann demeter-bio. Das ist aber teuer, die Hähnchenbrust kostet halt zehn Mal so viel wie bei Aldi. Gibt es dann halt nur ein Mal im Monat.). Da ich aber momentan versuche, abzunehmen, kann ich es mir nicht leisten, meinen Eiweißbedarf ausschließlich über pflanzliche Quellen zu decken (zu viele Kohlehydrate). Da Räuchertofu auf Dauer aber sehr langweilig ist, bin ich wirklich dankbar für Seitan und sonstige Fleischersatzprodukte – und da finde ich z.B. die Veggie-Würstchen von Aldi schlicht unverschämt. Die wollen Würstchen sein und schaffen es ja doch nicht.
Insofern bin ich bei Herrn Spielhagen: Warum Ersatz schaffen, wenn es so danebengeht? Nun, ich denke, einfach aus dem Grund, dass es schön ist, eine große Palette an Möglichkeiten zu haben. Ich kenne auch Menschen, die sich unfreiwillig fleischlos ernähren mussten (aus gesundheitlichen Gründen). Und für diese sind vernünftige Ersatzprodukte eine gute Sache.
Andererseits: Warum muss Soja wie Fleisch schmecken? Sojamilch schmeckt auch nicht wie Kuhmilch, genausowenig wie Ziegenmilch. Es sind halt alles eigenständige Lebensmittel mit einem eigenen Geschmack…
30. November 2012 um 22:53
Hallo,
Habe ich gerade auf einer anderen Website gefunden
(4)Sojapudding-Veganer: Veganer, deren Mahlzeiten den „normalen“ Mahlzeiten angepasst sind, wobei Sojafleisch Fleisch ersetzt, Sojawurst Wurst, Sojamilch Kuhmilch, Sojapudding Milchpudding, Sojajoghurt Milchjoghurt, Sojasahne Sahne, Sojakäsetorte normale Käsetorte usw. usf. Veganer, die sich auf diese Weise ernähren, sind nicht aus gesundheitstechnischen, sondern meist aus rein tierschützerischen Gründen Veganer.
Finde ich witzig.
3. Dezember 2012 um 14:13
Dank Euch allen für die umfangreichen Kommentare! Was ich zur Sache zu sagen habe, steht ja schon erschöpfend im Artikel, das will ich nun nicht wiederholen.
@Heckmann: nach 2 Wochen (oder auch 6 Monaten..) ist man beim „vollen Umstieg“ auch noch so begeistert und engagiert für die Sache, dass man noch gar nicht (ehrlich!) wahrnimmt, was einem selber so an Geschmackserlebnissen fehlt.
Schreib mal in zwei Jahren, wie dein Speisezettel aussieht! :-)
Aber selbst jene Menschen, die von sich ganz genau und über längere Zeit schon wissen, dass ihnen Fleischersatz-Rezepte und PRodukte nicht fehlen: ist Euch denn gar nicht bekannt, dass die Menschen verdammt verschieden sind? In einer Fleischwirtschaftswelt steht nun mal die große Mehrheit auf Bolognaise, Schnitzel, Buletten und Würstchen – und das ändert sich auch nicht dadurch, dass man aus ethischen Gründen kein Fleisch mehr essen will. Dem Geschmacksempfinden ist das weitgehend egal – dem gilt das als „gut“, was in der Kindheit und Jugend als GUT angewöht wurde. Und je älter man wird und je länger man „Omnivore“ war, desto tiefer sitzen die geschmacklichen Vorlieben und der Appetit auf bestimmte Gerichte.
Na und? Ich kann mir heute aus Gluten, texturiertem Soja und Tofu wirklich tolle Fleischalterativen kochen – und da weiß ich auch genau, was drin ist. Wenn Freunde, die ich bekoche, dann noch bestätigen, dass das eine gelungene Sache war, dann hab‘ ich ihnen doch damit gezeigt: Schau, es geht auch OHNE TIERLEID und Umweltsauerei!
Ist doch wunderbar! Was es daran rumzukritteln gibt, verstehe ich nach wie vor nicht. Bzw. erkläre es mir halt so, dass manche Menschen Spass daran haben, anderen zu erzählen, wie das „richtige Leben“ geht. Selbst dann noch, wenn man sich in so etwas Wichtigem wie Fleisch-Konsum eigentlich einig ist.
Und zu deinem 2.Kommentar: WAS IST DARAN WITZIG?
Genauso ist es! Nicht jeder Veganer ist auch gleich Gesundheitsapostel, nicht jeder Umweltaktivist ist Vegetarier oder Veganer, nicht jeder Bio-Konsument und Gesund-Lebende achtet auf die Umwelt oder das Tierleid… Daran ist nichts witzig, das ist FAKT.
19. Dezember 2012 um 21:11
Ich wollte nicht kritisieren, das ist eine ehrlich gemeinte Frage. Ich bin kein fundamentalistischer Veganer, um Gottes Willen. Meine Familie ißt nach wie vor Fleisch und Käse, und ich brate meinen Kindern auch normale Bratwürstchen. Die vegane Ernährung ist meine eigene Entscheidung. Und ich würde nie jemanden seine Ernährungsweise vorschreiben. Aber ich habe noch nie viel Fleisch gegessen, hat mich nie besonders interessiert. Wurst habe ich mir schon vor Jahren abgewöhnt (nichts essen, von dem ich nicht genau weiß, was drin ist). Also bin ich wohl nicht ohne Übergang zum Veganer geworden. Es finde es aber noch immer „seltsam“ , wenn ich in Foren lese, wie verzweifelt nach Ersatz für Fleisch und Käse gesucht wird. Und Sojapudding-Vegetarier finde ich noch immer lustig. Und nach jetzt mehreren Woche veganer Ernährung fehlt mir noch immer nichts. Ich experimentiere viel mit Gewürzen und Ölen.
20. Dezember 2012 um 10:44
@Heckmann: Wenn das eine ehrlich gemeinte Frage war, dann wurde diese aber nun wirklich sehr ausführlich und auch absolut nachvollziehbar von Claudia beantwortet. Wenn man natürlich selbst nie viel Fleisch und dieses auch nicht besonders gerne gegessen hat, dann mag es sein, dass man die Thematik einfach nicht verstehen kann. Aber wie Claudia schon schrieb, sind die Menschen nun einmal verdammt verschieden und so ist dem einen etwas wichtig was dem anderen total unwichtig erscheint.
Der eine freut sich über vegane Chicken Wings und dem anderen sind diese eben egal. Nur leider regen sich immer wieder Veganer und Nichtveganer darüber auf, dass man diese Ersatzprodukte begrüßt und genießt, und das wiederum verstehe ich nicht.
Mich stört es ja auch nicht, wenn jemand diese Produkte nicht mag.
Wer aus ethischen Gründen keine Tiere essen will, kann sich meinetwegen von Pudding und Chips ernähren, dass ist für mich auch okay! Ob das jetzt für den Menschen gesund ist, das ist wieder ein ganz anderes Thema!
Gruß
Carina
20. Dezember 2012 um 14:41
Diese überflüssige „Kritik“ (oder auch das sich drüber lustig machen..) kommt in aller Regel von Menschen, die Fleisch noch nie so richtig mochten. Es fällt offenbar schwer, sich vorzustellen, dass andere Menschen kulinarisch gänzlich anders gepolt sind!
Ich war ein großer Fleisch-Fan und ekle mich auch heute nicht vor „Leichenteilen“.
Mittlerweile weiß ich, dass man sich diesen Ekel angewöhnen/antrainieren kann, doch auf diese Schiene will ich gar nicht. Weil mich das dann nämlich gefühlsmäßig von Normalköstlern zu weit entfernt. Ich könnte Fleisch-Fans dann nicht mehr wirklich erreichen, nicht im Kochen und auch nicht im Schreiben. (Ich koche meinerseits für niemanden extra Fleischgerichte – wer mit mir isst, wird vegan bekocht und war bisher immer sehr zufrieden: mit Würstchen, Bouletten, Wiener Schnitzeln und Bolognese aus Seitan, Soja Co.)
20. Dezember 2012 um 20:43
Ich ekel mich nicht vor Fleisch. Ich kann industrielle Tierhaltung nicht tolerieren. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, gänzlich auf tierische Produkte zu verzichten.
Ich würde mich nie über andere Leute lustig machen. Und ich glaube jetzt wirklich nicht, irgend jemanden in dieser Welt aufgrund meiner Ernährung überlegen zu sein. Ich glaube da gibt es Wichtigeres.
Heute habe ich in einem anderen Forum folgendes gelesen “ ich möchte jetzt vegan essen, deshalb bin ich in ein Reformhaus gegangen und habe mir erstmal Tofuwürstchen gekauft“. So eine Aussage kann ich halt nicht verstehen.
Die Entscheidung vegetarisch zu leben kommt (jedenfalls bei mir) nicht von jetzt auf gleich. Bei mir war es eine schleichende Entwicklung. Ich habe immer mehr auf Fleisch verzichtet. Dazu kam eine Magenschleimentzündung, aufgrund derer ich Milchprodukte nicht mehr so gut vertragen konnte.
Weiterhin habe ich in mehrerene Quellen gelesen, das Soja auch nicht unbedingt supergesund ist. Aus diesem Grund bin ich da eher zurückhaltend.
Aber noch einmal, ich möchte niemanden beleidigen und es tut mir leid, wenn ich jetzt überheblich rüberkomme, war nicht meine Absicht.
19. März 2013 um 00:19
Natürlich kann ich meine vegetarische Bolognese als Fleischersatz ansehen – oder aber, ich nenne sie „tofukrümel in mediterraner Tomaten-Gemüsesoße“ und ich bin ziemlich sicher (wohl auch weil ich noch nicht so lange vegetarisch esse und koche und ich mich sehr wohl an den Geschmack einer echten Bolognese erinnere), dass so mancher unbedarfter Fleischesser nicht erraten würde, dass das Hack aus Tofu ist.
Was in erinnerung bleibt sind halt die schlechten Tofuschnitzel aus dem Kühlregal. Die schmecken mir nicht so besonders, aber wers gerne isst darf das von mir aus gerne.
Ich kann für mich sagen, dass ich ohne Fleisch-Imitate wohl nicht vegetarisch leben würde. Essen ist eben nicht nur Nahrung, sondern auch Labsal und hat viel mit der Prägung zu tun, die man im Leben erhalten hat.
Ich habe durch einen indischen Freund gelernt Indisch zu kochen. Bis heute finde ich die indische Küche die überzeugendste für vegetarische Ernährung. Viele Gewürze, Hülsenfrüchte, Geschmäcker, von leicht bis deftig alles dabei. Nur – ich kanns nicht jeden Tag essen. Ein paar mal die Woche ists lecker, aber irgendwann braucht man wieder Gerichte die man gewohnt ist.
Es gibt diesen Tag, an dem ich mich nach einem einfachen Essen sehne, so wie ich mit aufgewachsen bin. Und wenn ich dann lust auf Kartoffelsalat mit was gegrilltem habe, dann mache ich mir halt Kartoffelsalat mit was gegrilltem, nur dass es nun auf Tofubasis ist.
Wichtig ist mir, dass ich meinen Speiseplan erweitere. Dazu gehört für mich auch, Zutaten kreativ auszutauschen, zu experimentieren und neue Geschmackskombinationen zu testen. Gerichte deswegen auszuschließen, weil sie in einer fleischbasierten Variante existieren finde ich einfach unlogisch. Würde man diesen Gedanken weiterführen, so wären ganz schnell weitere Gerichte vor dem aus: getrocknete Tomaten zum Beispiel enthalten wie Fleisch Glutamat und sind ähnlich intensiv im Geschmack. Sojasauce hat auch etwas fleischliches (ebenfalls Glutamat aus der Sojafermentierung).
28. März 2013 um 12:21
Ich finde diese gesamte Diskussion um „Ersatz“ falsch.Da durch die lange Zeit vorher fast jedes Lebensmittel seinen Namen hat(natürlich die ,die erst erfunden werden ausgenommen) sollten die Neuen Produkte doch einfach einen Neuen Namen bekommen und auch auf der Verpackung keinerlei Ansatz in Richtung Ersatz stehen. Zum Bleistift Sojabratling. Mir gefällt das Wort und ich wusste sofort was ich zu erwarten habe. Ein Vorschlag von mir an alle die Soja -Eiweiß oder andere Produkte benutzen und verzehren ,Denkt euch Namen für diese Produkte aus und schickt sie zur freien Verwendung an die Hersteller(nein ich Arbeite nicht in der Industrie).Vielleicht haben wir Glück und bald hört diese unsinnige „Ersatz“Diskussion auf.
MfG Peter
29. März 2013 um 21:10
@Peter: da bin ich gegenteiliger Meinug. Denn wie soll ein Fleischesser bzw. eine Normalköstlerin wissen, dass „Sojabratling“ oder „Seitangeschnetzeltes“ etwas ist, was genauso schmecken kann wie die Boulette und das Gulasch, die sie lieben und nicht lassen mögen?
Woher sollen sie wissen, wonach sie googeln sollen?
Bzgl. Schnitzel, Bolognese, Bouletten, Gulasch etc. will ich doch nix ANDERES, sondern im Grunde DASSELBE, nur ohne Tierleid und ohne Umweltvernichtung.
Anders als im traditionellen Vegetarismus hat aus meiner Sicht gerade die veganene BEwegung diese neue Entwicklung angestoßen und voran getrieben: Verzicht muss nicht sein! Weil diese Gerichte ganz genauso gut mit planzlichen Produkten herstellbar sind.
DAS ist es, was m.E. noch viel zuwenig bekannt ist!
(und jetzt mach ich eine Riesenmenge Slowfood-Bolognese, die kein Mensch als „ohne Fleisch“ erkennt….)
30. März 2013 um 10:11
Claudia, vielleicht kenne ich nicht die richtigen Imitate? OK – Hackfleisch, da gebe ich Dir vollkommen Recht, kann man durch alles Mögliche ersetzen: Durch Linsen, Pilze, Soja, Gluten, oder, wie wir’s jüngst hatten, durch Pferdefleisch. Da kommt es mehr auf das „Bissgefühl“ an denn auf den Geschmack – den bringen bei Hackfleischprodukten die Gewürze.
Wieso ich dann keine vegetarischen Würste kenne, die mir schmecken, versteh‘ ich daher eigentlich nicht, denn im Grunde sind auf Tierprodukten basierte Würste ja nichts anderes als Hack. Ich vermeide bewusst den Begriff „Fleisch“, denn ich weiss, was zum Teil da so reinkommt.
Jeder andere Fleischersatz, den ich kenne, ist aber bis dato für mich klar erkennbar ein Imitat. Wer also etwas essen will, das so schmeckt und sich so anfühlt wie ein Steak, der muss ein Steak essen. Alles andere wäre unbefriedigend und führt zu „hab ich’s doch gewusst – nie wieder“.
Jeder der versucht, auf fleischlose Ernährung umzusteigen und dabei seine Essgewohnheiten einfach beizubehalten, wird daher unweigerlich enttäuscht. Um nicht enttäuscht zu werden, muss man sich auf fleischlose Ernährung einlassen und sich Gerichte suchen, die von vornherein ohne Fleisch konzipiert sind.
Denn wenn ich etwa Gnocchi mit Spinat und Kürbis koche, dann schmeckt das halt exakt wie Gnocchi mit Spinat und Kürbis, und nicht nur so ähnlich. Und darauf kann ich mich freuen. Aber auf ein Tofu-Würstchen, das eine freundliche Seele extra für mich zum Grillen eingekauft hat, damit ich nicht zugucken muss, freu ich mich ehrlich nicht. Das esse ich nur aus Höflichkeit.
Das ist eigentlich so ähnlich wie mit Kaffee und Tee. Will ich Kaffee meiden, gibt es auch da Kaffeesurrogat – das ist dann ein Getränk, das mir meinen geliebten Kaffee dürftig ersetzt und sehnsüchtige Erinnerungen hervorruft. Ich kann aber auch komplett auf Tee umsteigen. Das mag gewöhnungsbedürftig sein. Dafür eröffnet sich mir dann aber eine ganze Welt.
3. Juli 2013 um 14:02
Hallihallo,
Erstmal: Was für ein schöner Blog voller vernünftiger, ausgewogener Ansichten! Was eine Wohltat verglichen mit den bloggenden Lifestile-Veganer-Kiddies und ihren grausligen Gurus.
Aus meiner Sicht haben die veganen Convenience-Produkte wirklich großartige Vorteile. Zum einen ist es unendlich viel leichter geworden, sich als „Normalo“ trotz Berufstätigkeit, sozialer Verpflichtungen, Sport, Hobbies etc. weitestgehend vegan zu ernähren, zum anderen hab ich persönlich zunehmend wieder Spass an Grillparties und daran, für meine vielen omnivoren Freunde zu kochen und dabei auch mal das ein oder andere Rezept weiterzugeben! ;-)
Vielleicht ärgern sich manche Leute einfach darüber, dass man den Veganismus mitlerweile überhaupt mit Worten wie „Normalo“, „sozialen Verpflichtungen“ oder „Grillparty mit omnivoren Freunden“ in Verbindung bringen und dadurch ihren geliebten Veganer-Avantgardismus beflecken könnte. Die Tatsache, das jeder heutzutage theoretisch vegan sein kann, ist gut für die Tiere, fürs Klima und für die Welternährung – aber schlecht für den Snob!
(PS: Mein Respekt dennoch an solche Veganer, die schon ewig dabei sind und ihr Leben schon seit Jahrzehnten nach ihrer Überzeugung ausrichten. Die die ich kenne sind wahnsinnig tolerant gegenüber anderen Lebensweisen, weil sie selbst oft erfahren haben, wie wichtig Toleranz in manchen Lebenslagen sein kann. Die Engstirnigkeit mancher Positionen, die im gegenwärtigen Veganismus-Trend hochkommen, wird diesen großartigen Menschen nicht gerecht.)
6. Juli 2013 um 11:31
@Hans, sorry, meine Antwort an dich muss irgendwie nicht geklappt haben. Deshalb jetzt nochmal: Ich bin das lebendige Gegenbeispiel! Immer Fleischgerichtliebhaberin gewesen – und jetzt sehr glücklich mit meinen Alternativen aus Seitan und Soja! Wo du recht hast: gekaufte Fertigprodukte schmecken oft nicht – obwohl es durchaus Würstchen gibt, die z.B. an „Wiener“ so nah ran kommen, dass man sie im Linseneintopf nicht als pflanzlich erkennen würde. Auch zum Braten finde ich manche Sorte sehr gut!
Wirklich GUTE, befriedigende traditionelle Gerichte wie Rouladen, Wiener Schnitzel, Gulasch, Geschnetzeltes etc. muss man selber zubereiten – DANN ist das wirklich überzeugend und wird von Unwissenden nicht als Nicht-Fleisch erkannt! Dafür gibts in diesem Blog ja auch die Rezepte… :-)
Nein, nur mit Getreide und Gemüse wäre ich nie und nimmer zufrieden! (und es wäre auch schwer, so genug Eiweiß aufzunehmen).
Ein richtiges Steak ist natürlich NICHT pflanzlich nachzuempfinden, die entsprechenden Zubereitungen sind dann eher wie Schnitzel…
Aber noch etwas: Selbst WENN die Alternativen ab und an EIN WENIG ANDERS munden (z.B. in der Konsistenz, oder im Geschmack, wenn man den nicht selber kreiert hat) – warum muss es dann gleich „nie wieder!“ heißen? Bedeutet denn eine kleine Abweichung, dass es nun gar nicht schmeckt? Keineswegs! Ich bemühe mich auch nicht mehr ständig, bei allen derartigen Gerichten möglichst dem Original nahe zu kommen: man gewöht sich nämlich an kleine Andersartigkeiten, und dass ein Soja-Schnitzel weicher ist, kommt mir eher entgegen! :-)
Ich frag mich immer: ist so eine kleine Abweichung nicht dieses eher WINZIGE Opfer wert – im Blick auf das Tierleid, das dadurch vermieden wird, bzw. die Umwelt, die von den Folgen der Fleischwirtschaft entlastet wird?
27. Juli 2013 um 20:51
Ich finde diese Argumente von euch alle etwas lasch. Die Argumente von dem Spiegel-Typen auch.
Aus Soja und Weizen macht man also eine Frikadelle? Aus Fleisch macht man auch eine Frikadelle. Eine Frikadelle ist nicht, wonach Fleisch schmeckt. Aus Getreide macht man Nudeln. Nudeln sind nicht, wonach Geteide schmeckt. Was ist das für ein bescheuertes Thema?
Noch absurder finde ich, dass Veganer sich unter einander irgendwie auch noch verfeinden. Ich habe gar kein Bedürfnis, mich für meine Soja-Frikadellen zu rechtfertigen. Weil’s halt schmeckt.
28. Juli 2013 um 11:10
@poratus: Wenn es gelingt, aus Soja und Weizen-Eiweiß stimmig schmeckende Gerichte wie Frikadellen, Bolognese, Wiener Schnitzel und „Fleisch“-Salat zu zaubern, welchen Grund gibt es dann bitte noch, für diesen Genuss Tiere in der Massentierhaltung leiden zu lassen, sie als bloße „Nahrungsfabriken“ anzusehen und zu Millionen zu töten?
Das ist es, was dieses Blog vermitteln will und was viele nicht verstehen, die darauf beharren, dass Frikadellen aus Fleisch zu sein haben und wenn man sich vom Fleisch distanziert, man gefälligst auch auf traditionelle Gerichte verzichten soll. Als ginge es um den Geschmack, oh heilige Einfalt!
28. Juli 2013 um 14:46
jede/r sollte essen was und wie auch immer.warum immer alles zerreden und jammern? mir schmeckt fleisch genauso gut wie seitan oder sojaschnetzel oder tofu.ich besuche die verschiedenen seiten und hole mir anregungen zum kochen der jeweiligen dinge.
grüße an alle
peter
4. August 2013 um 22:24
Claudia,
lang wollte ich schon antworten – aber nun werden die Karten neu gemischt: Am Montag wird der erste Burger gebraten, der aus Rinderstammzellen im Labor gezüchtet wurde:http://www.aachener-zeitung.de/news/aus-aller-welt/forscher-entwickelt-burger-aus-stammzellen-1.627986
Angenommen, das Ganze erreicht mal Marktreife und wird billig, ist das eine nahezu Tierleidfreie und Ressourcen schonende Sache, und das Thema „Fleischersatz“ müsste vollkommen neu bewertet werden.
Es geht noch weiter: Angenommen, Menschen wie Du und ich würden sich bereit erklären, Stammzellen zu spenden, so wäre das Produkt daraus nach heutiger Definition sogar vegan (mit denselben Argumenten, die für Muttermilch gelten). Aber wie weit darf man gehen?