Will ich denn, dass Tiere leiden? Natürlich nicht! Ich wünsche mir glückliche Kühe, fröhliche Schweine und gesunde Hühner mit noch all ihren Federn, die in artgerechter Haltung ein angenehmes Leben führen. Was statt dessen zur Norm geworden ist, ist ein industrieller Komplex, für den das Tier bloßer Stoff, reines Material ist, den man in „Tierfabriken“ maximal effektiv ausbeutet. Dass es sich um fühlende Wesen handelt, die genau wie wir Schmerzen und Todesangst erleiden, spielt da keine Rolle. Und wer ist angeblich schuld daran? Wir, die Verbraucher an der Ladentheke, heißt es immer, wenn diese Frage gestellt wird – und niemand widerspricht. Die einen hören und sehen sowieso weg, weil sie über diese Dinge lieber nicht nachdenken, die anderen schweigen betreten, kalt erwischt beim eigenen schlechten Gewissen.
Aber ist das schon die ganze Wahrheit? Nein! Wenn das Argument von den „Fleischerzeugern“ oder Politikern kommt, ist es sogar eine volksverdummende Unverschämtheit. Dass Nachfrage und Angebot aufeinander reagieren und z.B. mehr Leute Hähnchen kaufen, wenn diese billiger angeboten werden, ist eine Binsenweisheit. Was aber ein marktfähiges Hähnchen ist, wie es aufgezogen, gehalten und geschlachtet wird, das bestimmen eben nicht die Verbraucher, sondern die Unternehmen im Clinch mit dem meist mehr der Wirtschaft als dem Tierschutz verpflichteten Gesetzgeber.
Man hat mich jedenfalls nicht gefragt, ob ich damit einverstanden bin, dass für meine Ernährung pro Jahr 40 Millionen männliche Kücken (diese netten gelben fiependen Flaumbällchen, die alle mögen!) zerschreddert, erstickt oder vergast werden, gleich nachdem sie sich mühsam aus der Schale ins Leben gekämpft haben. Ihre Aufzucht lohnt sich angeblich nicht, da ihre Rasse zum Eier legen und nicht für den Muskelaufbau „optimiert“ wurde. Wer hat aber diese spezialisierten Züchtungen zu verantworten? Gewiss nicht „die Verbraucher“, denn man kann ja nur kaufen, was auch im Angebot ist!
Ich habe auch nie zugestimmt, dass für noch ein bisschen billigeres Fleisch nurmehr Puten mit überdimensionierten Brüsten gezüchtet werden sollen, die sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Bedauernswerte Gestalten, die vornüber fallen und sich ab der 12. Woche nur noch liegend putzen können, auf mit Fäkalien durchnässter Einstreu.
Man hat mich nie gefragt, ob die Milch oder das Steak es mir wert ist, dass immer noch Kühe in „Anbindehaltung“ ihr Leben gefesselt zubringen müssen – auf so engem Raum, dass sogar aufstehen und hinlegen zum Problem wird. Dass die Tiere den Haltungssystemen angepasst werden anstatt die Haltungssyseme den Bedürfnissen der Tiere. Dass man ihnen die Schnäbel kürzt, die Schwänze abschneidet, die Hornansätze ausbrennt und sie auf engstem Raum auf Spaltenböden zusammen pfercht.
Und natürlich hat mich auch keiner gefragt, ob es für mich in Ordnung ist, wenn Rinder zur Schlachtung auf langen Tiertransporten quer durch Europa gekarrt werden. Oder dass Schweine mit ansehen müssen, wie ihre Artgenossen mit der Elektrozange für die Schlachtung betäubt werden, bevor es sie selber trifft. Was dann oft im Akkord passiert: grade mal zwei Sekunden pro Schwein hat der Schlachter in großen Schlachthäusern, um die Schlagadern durchzuschneiden. Klar dass es dabei zu Fehlern kommt, nicht als bedauerliche Einzelfälle, sondern massenhaft.
Dass deshalb in Deutschland pro Jahr 500.000 Schweine und 200.000 Rinder bei vollem Bewusstsein gesiedet oder zerteilt werden, obwohl es möglich wäre, das mittels mehr Zeit und Kontrolle zu vermeiden – dem hätte ich nie und nimmer zugestimmt, hätte mich jemand gefragt!
Und genau diese zu grausamer Normalität gewordene „Fehlerquote“ eines an sich schon qualvollen Tierverwertungssstems war es denn auch, die mich zum einzigen Mittel greifen ließ, das mir bleibt, wenn ich nicht gefragt werde: Lieber gar kein Fleisch als eines, das durch so unsägliches Tierleid erkauft wird!
12. Juni 2012 um 22:39
Wenn man solche Rechtfertigungen hört, kann einem eigentlich nur schlecht werden – wenn es nach den Praktiken in der Massentierhaltung überhaupt noch Spielraum nach oben gibt.
Weitestgehender Fleischverzicht bzw. im Zweifelfalle Bio ist vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Tropfen.
Daumen hoch für deinen Blog und die Einstellung dahinter! :)
Gruß
Taro
12. Juni 2012 um 23:47
Ein glückliches Huhn ist m.E. auch nur ein Klischee – wenn auch bei artgerechter Haltung ein Huhn – etwa beim Sandbaden – schon sehr viel Ruhe ausstrahlen kann, und auch etwas meditaives hat.
Das sind Bilder – und das Gackern, wenn es ein Ei gelegt hat – und Töne, die den Kids von heute vollkommen abgehen.
Die Idylle des Hühnerhofes ist bei der inzwschen vorherrschenden Massentierhaltung verschwunden.
Die Entfremdung ist aber auch in anderen Bereichen fortgeschritten, kaum zu stoppen. Wie wir uns ernähren, ist ein Bereich. Wie wir miteinander umgehen, ist das eigentliche Problem.
18. Juni 2012 um 17:49
Ein sehr interessanter Artikel zum Thema, insbesondere die Tabelle:
Wie viel Tod steckt in tierischen Produkten
https://vebu.de/tiere-a-ethik/tiere-und-tierhaltung/1013-wie-viel-tod-steckt-in-tierischen-produkten
Leider sind Fische dort nicht erwähnt da schon durch den Beifang, der tot wieder zurück ins Meer geworfen wird, sicher die meisten „Tode“ je Kalorie stecken.
Wer auf tierische Produkte nicht ganz verzichten möchte richtet mit Käse u. Milch noch den kleinsten Schaden an. Aber dann bitte wenigstens Bio-Landbau.