Mittlerweile ernähre ich mich seit eineinhalb Jahren „unverbissen vegetarisch“. Diese Begriffs-Kombi hab‘ ich auch als Blognamen gewählt, um deutlich zu machen, dass es mir nicht darum geht, vegetarisch-vegane „Grabenkriege“ zu führen. Nicht 100%ige Konsequenz, sondern allmähliche Veränderung des Ess- und Kochverhaltens steht im Mittelpunkt – und wenn mich dreimal im Jahr die „Fleischeslust“ überkommt, gebe ich dem eben einfach mal nach.
Überfordernder Anfang: so vegan wie möglich…
Zu Beginn meines „unverbissenen“ Veggie-Lebens war ich trotz dieses „halbseidenen“ Programms sehr motiviert, so vegan wie möglich zu essen. Nicht nur Fleisch und Fisch, sondern auch Milch, Eier und Käse sollten aus meinem Leben verschwinden. Das hielt allerdings nur kurze Zeit an, die Umstellung war einfach zu gewaltig und ein derart intensives Befassen mit einzelnen Produkten der Nahrungsmittelindustrie (ist Substanz X auch vegan oder doch unter Verwendung tierischer Bestandteile erzeugt?) passte schon gar nicht in mein recht beschäftigtes Leben.
Schon die Suche nach Fleisch-Alternativen gestaltete sich relativ aufwändig, da ich nicht von Fertigprodukten leben will – sowohl Seitan als auch Tofu und Sojafleisch benötigen eine koch-technische Auseinandersetzung, bis man diese Dinge tatsächlich locker ins alltägliche Kochen & Essen integriert hat. Dazu gleich auch noch Milch, Käse und Eier zu „dissen“, war mir zuviel – insbesondere hing ich am Käse, zu dem ich erstmal keine befriedigende vegane Alternative fand.
Allmähliche Veränderungen: der Käse-Bedarf schwindet…
Mittlerweile hab‘ ich gemerkt, dass auch ganz ohne krasse Entschlüsse und gefühlte Selbstkasteiungen die Motivation in Richtung „mehr vegan“ im Lauf der Zeit wieder zunimmt. Denn ich hab‘ mich dran gewöhnt, jeweils ein oder mehrere „Forschungsgebiete“ in Sachen Kochen laufen zu haben: grade erobere ich mir Sojafleisch neu, dass ich zu Anfang (weil falsch zubereitet!) verworfen hatte. Und mit jedem wohlschmeckenden Rezept, dessen Ergebnis mich (und auch Fleisch-essende Freunde) wirklich befriedigt, schwindet die Notwendigkeit, mir alternativ ein Stück Bratkäse in die Pfanne zu hauen oder eines der vielen mit Käse überbackenen vegetarischen Gerichte zu kochen.
Eier sind mittlerweile ganz aus meinem Leben verschwunden, das war vergleichsweise leicht und schmerzlos. Als „Klebemittel“ kann man Ei-Alternativen verwenden (Mehl, Gluten, NoEgg etc.), das „Spiegelei“ war früher hauptsächlich deshalb angesagt, weil es schnell ging. Hat man Eiweiß-Alternativen (wie etwa eine fertige Bolognese mit Sojagranulat oder Seitan-Schnitzel) im Kühlschrank, braucht es das einfach nicht mehr.
Die Milch hatte ich anfänglich komplett durch Sojamilch ersetzt, dann aber wieder davon Abstand genommen, weil mich die Vielfalt der Produkte verschreckte: nicht immer passt das Gesüßte und der Vanille-Geschmack, der vielen Drinks – geschmacklich zu unrecht als „natur“ bezeichnet – eigen ist. Auch hier brachte die Zeit mit wiederholten Tests neue Motivation und ich kann jetzt wieder besser verzichten, ohne das Gefühl, dass mir ‚was fehlt. Monate lang hab‘ ich einfach gemixt, den Milchkaffee mit Milch und steigendem Soja-Drink-Anteil zubereitet – und siehe da, heut‘ BRAUCHE ich da keine Milch mehr.
Anstehende „Forschungen“: Hefeschmelz & Co.
Im Kopps, dem veganen Restaurant von Björn Moschinki, hab‘ ich ein veganes „Rührei“ kennen gelernt, das mich echt vom Hocker gehauen hat. Auf Youtube bewundere ich die Zubereitung von „Hefeschmelz“ und finde in Blogs und Foren Beiträge über allerlei doch ganz gut verlaufende vegane Käse. Kurz: da ist noch eine Menge zu lernen und auszuprobieren, was ich auch gerne angehe, denn immer ein paar laufende „Kochabenteuer“ zu haben, will ich nicht mehr missen.
So wird meine Ernährung nach und nach doch „unverbissen vegan“. Ich verwende immer weniger tierische Produkte, jedoch ohne die Radikalität der „zornigen Veganer“, die im Web oft so lautstark missionarisch auftreten, dass viele schon deshalb keinen Bock drauf haben, ihnen zu folgen.
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26. Februar 2012 um 23:34
Hi Claudia,
ich sehe das Ganze genauso wie Du, bin erst seit 3 Wochen reiner Veggie, Veganer werde ich wohl nie werden, aber abwarten ;-). Ich kann ganz gut kochen, aber einiges wird immer mein Favorit bleiben, z.B. Parmaschinken und da verzichte ich auch nicht drauf, ich bin kein Hardcore Veggie sorry. Für einige Sachen gibt es keine Imitate und wenn dann schmecken viele einfach nicht, so ist es numal, Veggie Käse schmeckt einfach nur bäh und das nachgemachte Huhn in Folie was man in einigen Fernsehberichte so gesehen hat…damit schreckt man viele Leute ab…wer bitte will sowas essen, das erinnert an „Labor Essen“. brrr..
Gruß aus Köln
Mike
5. April 2012 um 17:07
Hallo Claudia,
ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin sehr begeistert von deinem Blog.
Vor ca einem dreiviertel Jahr habe ich begonnen prinzipiell vegan zu leben. Prinzipiell deswegen, weil sich doch so manchmal eine Ausnahme dazwischenschleicht.
Das stößt (warum auch immer) leider auch auf sehr viel Unverständnis, sowohl von anderen Veganern/Vegetariern als auch von Omnivoren. Die Begründung: „Wenn ichs nicht ganz mache, kann ichs ja auch gleich lassen“. Vielleicht kennst du das Problem ja.
Ich finde es einfach nur toll zu sehen, dass es noch andere Menschen gibt, die so denken wie ich.
Es geht für mich nicht darum, wer am vegansten und am tollsten ist, sondern darum, dass ich für mich, die Tiere und die Umwelt das richtige tue.
Und wenn mich dann doch mal die Lust packt und ich einmal „sündige“ ist doch immernoch mehr getan als würde ich das jeden Tag bei jeder Mahlzeit.
Aber es ist doch immer wieder schön von Gleichgesinnten zu hören.
Liebe Grüße
Eva
9. Oktober 2012 um 18:27
Ich mag deinen Blog auch sehr gerne; verdammt wieso musstest du mir erst eine Mail schreiben, damit ich auf ihn aufmerksam werde ;-)
Ich habe im März 2011 von null auf hundert beschlossen vegan zu werden. Mein „Einsteigermoment“ war die Auseinandersetzung mit Tierversuchen in der Kosmetikindustrie und dazu ein paar von „Erbses“ vegane Gedanken-Videos auf Youtube. Sie war mir so sympathisch, ich wollte einfach wissen, wie es sich vegan lebt. Zuvor war ich als „Experiment“ drei Wochen ovo-lacto-vegetarisch unterwegs und der Verzicht auf Fleisch/Fisch/Wurst fiel mir nicht besonders schwer.
Heute nach über einem Jahr blicke ich auf viele vegane Monate zurück, in denen ich sogar Honig verschmäht habe. Gerade in den ersten 6-8 Monaten war ich streng vegan, was Ernährung, Kleidung und Kosmetik betraf. Die typische „Sturm und Drang“ Phase, immer aneckend, missionarisch mit einem ständigen „Wie kann man nur Fleisch etc. essen?!“ im Kopf. Manchmal hat mich das regelrecht erschrocken, vor allem, weil ich meine langjährigen Freunde und meine Familie durch andere Augen sah; eben durch die „Omnivoren-Brille“.
Mittlerweile habe ich in veganen Augen einen Rückschritt getan. Ich ernähre mich z.Z. lacto-vegetarisch. Ich habe sehr lange über diesen Schritt nachgedacht. Ausschlaggebend war, dass ich mir selbst sehr viele Zwänge auferlegt hatte, dazu noch stets darauf bedacht war, den „Super Veganern“ zu gefallen, deren Ansprüchen zu genügen, nur um nicht kritisiert zu werden. Ich denke auch, dass mir die „Übergangszeit“ am Anfang gefehlt hat, das nach und nach Umstellen. Ich vermisste einfach bestimmte Geschmäcker und Konsistenzen (Mozzarella, Feta -> ganz schlimm!), für die ich keinen passenden veganen Ersatz gefunden habe. Ich war zudem das ewige austesten und Geld ausgeben leid. Zudem den sozialen Aspekt; beim Essen gehen entweder gar nichts zu finden, oder mit Salat und Öl dazusitzen, während alle anderen vollen Zugriff auf die Speisekarten hatten. Selbst unter anderen Veggies ging es mir so. Wir haben hier z.B. ein vegetarisches Restaurant (auch das Einzige), welches keine veganen Gerichte in der regulären Karte anbietet. :-( Und wieder saß ich mit Salat und Öl. Das frustrierte mich zunehmend. Dazu noch meine eher bescheidene Küchensituation; zwei Campingkochplatten und ein Mini-mini Backofen. Großartig kochen oder gar backen, Fehlanzeige.
Für mich ist der Kompromiss nun erstmal, dass zu Hause so gut wie möglich vegan gekocht wird und ich auswärts, sollte es nichts Veganes geben, auch etwas lacto-Vegetarisches esse. Viele vegane Produkte habe ich lieb gewonnen und werde sie beibehalten z.B. Hafermilch fürs Müsli, Alpro Yofus, Alpro Cuisine zum Kochen, Wilmersburger Pizzaschmelz zum Überbacken. Eier vermisse ich mitnichten, auch keinen Honig. Ich werde nicht wieder anfangen Leder etc. zu tragen oder tierversuchslastige Kosmetika zu kaufen.
Aber ich nehme mir jetzt die „Übergangsphase“, die ich vielleicht zu Anfang gebraucht hätte.
Seit dieser Entscheidung fühle ich mich um einiges erleichterter, nicht mehr so verbissen oder gar frustriert, sondern zufriedener.
Unverbissen vegan/vegetarisch eben ;-)
9. Mai 2013 um 19:44
Hallo Claudia,
Ich bin noch ziemlich jung, deshalb wird meine Entscheidung Veganerin zu sein als eine „Phase“ abgetan, obwohl ich doch relativ überzeugt davon bin. Was mich dazu gebracht hat war ein Auslandsaufenthalt. Ich war in Neuseeland und habe jeden Tag unmengen von Fleisch bekommen, danach sah ich schrecklich aus und hab mich auch schlecht gefühlt. In der Fastenzeit hab ich dann angefangen mich vegetarisch zu ernähren. (Was damals schon für meine Familie schwierig war) Dann hab ich immer mehr tierische Produkte von meinem Speiseplan gestrichen. Ich hab genauso wie du mir einen Namen dafür gegeben. Ich war Flexiganer. Denn manchmal bin ich schwach geworden oder war Essen. Es ist schlimm, denn manche Restaurantes haben nicht mal vegetarisches Essen. Seit ein paar Wochen bin ich was die vegane Ernährung angeht viel stränger geworden, denn je mehr ich mich damit befasse, desto weniger verkrafte ich es tierische Produkte zu konsumieren. Meine Mutter ist extrem genervt, dass ich ständig hinten auf die Verpackungen schaue und nach tierischen Bestandteilen suche. Mir selbst hat es verwundert, dass in so gut wie allen Chips oder Aufbackbrötchen Molke oder Milchpulver drin ist. Warum machen die das überhaupt rein? Ich lebe leider nicht in einer großen Stadt sondern auf dem Land und da wird meine neue Lebensweise von allen Seiten kritisiert und essen gehen wird wohl in „deutschen“ Gaststätten ausbleiben. Am schlimmsten sehen es vorallem meine Großeltern, die sich Sorgen um meine Gesundheit machen, obwohl ich ihnen schon Lektüren darüber gegeben habe (hat sie aber nicht weiter gekümmert und gelsen haben sie diese auch nicht) ebenso machen sie meine Ernährung dafür verantwortlich, dass ich in meinem alter wohl keinen jungen Mann finde und allein bleibe. Ich weiß, dass es nicht viele männliche Veganer gibt, für Männer gehört Fleisch und das drum rum halt dazu. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? und hast du irgenteinen Rat, was ich tun könnte, damit es meiner Umwelte und mir besser mit meinem Lebensstil geht? Ich versuche sie ja nicht zu missionieren und akzeptiere die anderen so wie sie sind. Aber ich hätte doch gerne jemanden der die Dinge so sieht wie ich.
15. Mai 2013 um 10:50
@Viktoria: ich kann mir gut vorstellen, dass du es nicht leicht hast! Aber Respekt für deinen Mut und das „dran-bleiben“ unter schwierigen Bedingungen.
Wenn du auf dem Land wohnst, wirst du evtl. auch Probleme haben, vegane Sachen einzukaufen? Kannst du im Versand etwas bestellen? Oft kann man Fleisch-Essende mit gut gekochten Fleisch-Alternativen aus Seitan und Soja doch ein bisschen überzeugen, dass man nicht nur von Salat und Gemüse leben und nicht mal auf traditionelle Gerichte verzichten muss!
Ich empfehle dir, Mitglied in einem Veggie-Forum zu werden -. da findest du Unterstützung von vielen Menschen in gleicher Lage!! Z.B. vegan.de oder vegan-forum.de – und hier gleich eine Liste:
http://www.vegan.eu/index.php/vegane_foren_diskussion.html